Ich habe über die Feiertage ein paar Dinge über mich begriffen, die mich, zu Ende gedacht, sehr beunruhigen.
Die zentrale Erkenntnis ist, dass ich trinke weil ich alleine bin, nicht umgekehrt. Ich weiß nicht warum mir das jetzt erst auffällt. Vielleicht weil ich zumindest für meine Verhältnisse im Moment relativ nüchtern bin. Ich trinke immer noch zu viel, das plötzliche Aufhören hat also schon jetzt versagt. Es fällt mir aber auch nicht schwer ein paar Tage nüchtern zu bleiben, irgendwie fühle ich mich nicht mehr als hätte der Alkohol Kontrolle über mich. Irgendwie denke ich, dass ich in der Lage wäre aufzuhören. Wenn da nicht diese verdammte Einsamkeit wäre. Ich habe mir in den letzten Wochen öfter dabei ertappt, wie ich diesen erdrückenden Schmerz der Einsamkeit buchstäblich ertränken wollte und zum Alkohol gegriffen habe. Nach ein paar Bier geht die Traurigkeit dann weg. Ich könnte mir vorstellen, dass ich überhaupt kein Bedürfniss hätte zu trinken, wäre mein Seelenleben in Ordnung.
Jetzt war ich aber wie gesagt die letzten Wochen bei meiner Familie und mit meinen paar verbliebenden Freunden. Und selbst da fühle ich mich alleine, auch wenn 8 Leute um mich herum sitzen und ich mich den ganzen Abend unterhalte. Ich fühle mich dann völlig deplatziert, irgendwie falsch besetzt. Es ist als wäre die Interaktion mit den Leuten mehr antrainierte Routine, nicht zwischenmenschlicher Kontakt. Schwer zu beschreiben, aber unter dem Strich bin ich nach diesen Tagen immer noch alleine, vielleicht mehr als früher.
Wenn ich diese Situation weiter denke, bleiben mir zur zwei Auswege:
1) Was mir wirklich fehlt ist eine Beziehung.
2) Was ich als Einsamkeit empfinde ist in Wirklichkeit etwas völlig anderes.
Vor allem die (wahrscheinlichere) erste Option wäre furchtbar. Wenn ich mal kurz voraus setze dass zumindest der Kern meiner Probleme mit einer Freundin gelöst würden, dann stehe ich vor quasi unüberwindbaren Hürden. Erstens müsste ich schon mein Leben halbwegs im Griff haben damit sich überhaupt irgendeine Person für mich interessiert, und davon alleine bin ich weit entfernt. Aber wenn ich mein Leben ohne eine Freundin nicht auf die Reihe kriege, was bleibt mir dann?
Dazu kommt, dass ich einfach kein Frauenmensch bin. Ich sehe ganz okay aus, halte mich für halbwegs intelligent und bin eine ganz friedliche und freundliche Person. Es ist aber ganz einfach ein Fakt, dass manche Menschen von den Frauen ganz einfach ignoriert werden, während andere freie Auswahl haben, ohne dass dafür irgendein offensichtlicher Grund erkennbar wäre. Ich bin auf der alleruntersten Stufe dieser Hierachie. Frauen sehen mich nicht einmal aus Freundschaftsmaterial, geschweige denn als einen möglichen Partner. Soweit ich das sehe, mache ich nichts so richtig falsch, Frauen wollen mich einfach nicht, Punkt. Das ist zwar Scheiße, aber ich habe mit damit abgefunden. Aus all dem folgt, dass ich bisher sehr, sehr wenige Freundinnen hatte und völlig gehemmt bin, auf Frauen zuzugehen. Ich bin einfach zu oft schmerzhaft abgeleht worden. Genauer gesagt, so gut wie immer.
Jetzt stelle ich mir mal das wildeste vorstellbare Szenario vor. Ich finde bald eine Freundin, schnell genug damit ich nicht bis dahin vollständig versacke. Dann gibt es wiederum zwei Möglichkeiten.
1) Mir gehts tatsächlich besser. Dann wäre ich jeden Tag in Panik, dass sie mich verlässt und ich wieder vor dem nichts stehe. Weil Frauen mich wie gesagt ignorieren, hätte ich auch keine Aussicht auf baldige Widerholung. Selbst jetzt, wo ich nur über dieses sehr hypothetische Szenario nachdenke, kriege ich fast Beklemmungen bei der Vorstellung, mit der Angst zu leben verlassen zu werden. Ich wäre also ständig paranoid und unsicher, ein Zustand den wohl keine Beziehung mittelfristig aushält. Kurz gesagt: Auch eine Freundin würde es am Ende wahrscheinlich nur schlimmer machen.
2) Ich bin immer noch einsam. Dann müsste ich einen sehr bitteren Fakt akzeptieren. Nämlich, dass ich einfach nicht geschaffen bin um glücklich zu sein. Es ist eine Tatsache, dass manche Menschen einfach eine unglückliche Gen-Kombination abbekommen haben und die entstehende Körperchemie einfach nicht in der Lage ist den dazugehörigen Menschen auf natürlichem Wege zufrieden zu machen. Das lässt sich zwar mit starken Medikamenten und Therapie irgendwie in den Griff bekommen, aber ein Leben im ständigen Kampf mit dem unzufriedenen Ich fände ich furchtbar. Denn der Kampf ginge nicht darum, dass es mir gut geht, sondern dass es mir nicht schlecht geht. Und das ist kein Zustand, den ich für die nächsten 50 Jahre ertragen wollte.
Ich bin ratlos. Zum ersten Mal stehe ich wirklich ratlos hier, im Glauben meine Situation besser zu verstehen als je zuvor. Umso mehr ich allem auf den Grund gehe, desto verfahrener scheint alles zu werden. Ich wünsche mir die Zeiten zurück als ich noch von "trinke weniger und alles wird besser" überzeugt war.
Ich hatte gehofft, dass ich vielleicht eine Idee für mein weiteres Vorgehen bekomme, wenn ich meine Gedanken ordne, in Worte fasse und nieder schreibe. Ganz im Gegenteil. Ich habe mir nur die Ausweglosigkeit noch deutlicher als bisher vor Augen geführt. Und jetzt, kurz vor Neujahr, schaue ich ein bischen aus dem Fenster um andere Leute glücklich feiernd zu sehen. Wieso ist es für mich nur so unerreichbar schwer ein stinknormales, langweiliges Leben zu haben? Ich würde alles dafür geben ein durchschnittliches, wenig spannendes, dafür solides und halbwegs glückliches Leben zu führen.